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Realismus fegt die Traumwelt hinweg


Noch vor einigen Wochen schien alles bestens. Eifrig arbeitete dieses Land an der Welterrettung. Völlig dem Größenwahn verfallen, sollte von uns aus Klima, Feinstaub, Migration, Mikroplastik und die Verschmutzung der Meere im Alleingang beseitigt werden. Da waren wir moralisch auf der richtigen Seite und nichts schien wichtiger. Greta war der weibliche Messias, was auch den Feminismus befeuerte, der alte weiße Mann hatte ausgedient und irgendwie waren alle in einer Wohlfühlblase gefangen. Die Grünen wurden gewählt, die Jugend hüpfte und alles sollte so bald als möglich verboten werden, was die Sehnsucht nach einem grünen, geheilten Planeten stört. Pharmaindustrie, moderne Landwirtschaft, Autoindustrie, Kreuzfahrten und Flugverkehr. Am besten so wie im Jahr 1890, aber dabei alle reich und versorgt. Zahlen sollte das alles der Staat.


Der Staat gilt für viele Deutsche mittlerweile als eine Versorgungsmaschine, wo Geld und Honig niemals ausgehen. Und vergessen völlig, dass ein Staat nur ausgeben kann, was er vorher an Steuern anderen genommen hat. Wer als Realist sich die Zahlen anschaute, wusste ganz klar, dass es für die Welt nie reichen würde. Aber man träumte lieber...


Und auch die Hotellerie und Gastronomie träumt immer noch. Staatshilfen sollen doch nun alles richten. Bitte aufwachen! Es wird kaum etwas kommen. Wir sind nicht die einzige Branche mit argen Problemen. Was da ist, muss auf alle verteilt werden. Und aus Steuergeldern kommt da schon mal nichts, denn die eingenommenen Gelder sind längst alle verteilt und verplant. Von den 362 Milliarden Steuergeldern geht die Hälfte schon jetzt für Soziales drauf. Und auf der zu versorgenden Seite steht ein Bruttoinlandsprodukt von 3,44 Billionen. Was der Staat also derzeit ermöglichen kann, wird über Neuverschuldung gewährleistet. All das muss dann aber natürlich irgendwann über neue Steuern wieder bezahlt werden. Und bei diesen Größenordnungen wird der Staat seine Ausgangsbeschneidungen maximal ein, zwei Monate durchhalten. Dann müssen alle wieder arbeiten oder wir riskieren furchtbare Schäden an der Volkswirtschaft. Schon jetzt werden wir Jahre benötigen, um uns davon zu erholen. Mit jedem Tag wird es schlimmer...


Die EU hebt alle Defizitgrenzen auf. Gelddruckereien laufen pausenlos. Etliche Staaten der EU kommen an die Grenze, wo man auf dem Papier die Zahlungsunfähigkeit vor Augen hat, aber mit Geld zugedeckt wird. Die nackten Zahlen aber werden sich durchsetzen. Zahlen sind ehrlich und unbestechlich. Sie werden uns zwingen aus der Traumwelt zu erwachen. Gnadenlos und bitter.


Doch noch haben wir Medien und einige Politiker, die nicht aufwachen wollen. Da tauchen wieder Begriffe wie Grundeinkommen auf. Oder wenigstens ein Helikoptergeld in der Krise. Im Moment gibt es kaum Mehl, Hefe und Toilettenpapier (irrsinnige Einkaufsliste), aber wenn über längere Zeit die Wirtschaft blockiert ist, könnte es wahrlich zu einem Mangel kommen. Dann würden alle viel zusätzliches Geld besitzen, aber weniger Waren vorhanden sein. Die Preise würden natürlich unnachgiebig steigen und ein neues Problem entfachen. Auch andere, sehr verrückte Vorschläge hören wir in Talkshows oder Interviews. Meist von Leuten, die ihr Einkommen über Steuergelder oder Rundfunkgebühren erhalten. Wahrscheinlich denken diese Leute, dass sollte man bei allen Bürgern so machen und keine einzige Minute daran, wer diese Töpfe füllen soll.


Ich bin überrascht, wie sehr sich viele Hoteliers und Gastronomen auf Förderungen stürzen. Ja, es kann helfen, wenn ich ein bislang gut florierendes Geschäft betrieb, was mir so auch später ermöglicht, die neuen Schulden zu bedienen. Denn Hilfen werden sicher nicht geschenkt.

Ich bin auch überrascht, wie viele Berater, denen nun natürlich die Klienten weggebrochen sind, sich als Fördermittelbeschaffer positionieren. Ist das alles durchgerechnet, was sie dort für ihre Kunden ermöglichen wollen? Irgendwann klopft das Finanzamt an die Tür und verlangt eine Rückzahlung. Natürlich nicht vom Berater.


Auch im Personalbereich, wo ich immer diese Wohlfühlgemeinschaft kritisierte, zieht jetzt die Realität ein. Führung, die umsichtig und mit Blick in die Zukunft das Personal auswählte, damit der richtige Mitarbeiter an den richtigen Platz kommt (wo jeder am effektivsten arbeitet und für sich daraus Selbstbestätigung und Freude ableiten kann), war nicht so gefragt. Wir haben uns alle lieb, keiner tut dem anderen Mitarbeiter weh, niemand kritisiert irgendwas, denn schließlich macht jeder mal einen Fehler und Schneeflocken schmelzen halt schnell... Wir hatten ja Mangel an Fachkräften und man stellte jeden Bewerber ein, der zwei Teller tragen konnte. Weiterbildung gab es dann auf Seminaren, wo es viel Trallala und lustige Spielchen gab (Fang mal den Chef auf, mach mir den Tiger, wir ziehen doch alle am gleichen Seil, lass uns im Stuhlkreis sitzen und lustige Bilder an die Pinnwand kleben...). Persönlichkeitsentwicklung war dort selten zu finden. Eher war es ein Happening, was die Diskussion abwürgte, warum eine junge Frau an der Rezeption, mindestens zweisprachig, zum Schichtdienst und Überstunden bereit, dann 2.200 Euro in einer Großstadt verdiente und keine Wohnung fand. Denn den Wert der Mitarbeiter war klar bei Booking zu sehen: 69 Euro für ein Zimmer im Vier-Sterne-Haus.


Seit wie vielen Jahren wird diskutiert, dass die Preise zu niedrig sind? Und welche Führung hat den Mut gehabt, es umzusetzen? Welcher Gastronom, der zwölf Stunden im Laden steht, wo nichts übrig bleibt, hat einmal aufgehört den Mittagstisch zu verschleudern? Wer hat der Bevölkerung denn beigebracht, dass ein Schnitzel unter 10 Euro normal ist? Wer hat suggeriert, dass eine Übernachtung für'n Appel & Ei zu bekommen ist? Und wer hat all die Pachtverträge abgeschlossen, die auf ewiges Wachstum ausgelegt sind, aber ein Messeausfall schon jedes Budget schwanken lässt?


Corona hat die Krise nicht verursacht. Es ist der Brandbeschleuniger, der nun unsere Branche erfasst. Allerdings hart, plötzlich und so unerwartet.


Ich gehe davon aus, dass in einem Monat wieder alles geöffnet hat. Der Staat kann und wird irgendwann einsehen, dass es unbezahlbar ist. Irgendwann stellt sich die Frage: Traumwelt erhalten oder die Realität anschauen? Unsere derzeitige Moral, die nun jeden Bürger schützen soll und dafür ein Land stillsteht, wird bröckeln. Es ist nicht geholfen, wenn alle danach vor Trümmern stehen und das Sozialgefüge verloren geht.


Wir haben uns damit abgefunden, dass täglich Leute an Krebs, im Verkehr oder im Haushalt sterben. Auch über 20.000 Opfer von schweren Grippewellen wurden sonst still hingenommen. Derzeit wird noch jede Neuinfektion auf die Titelseite gesetzt. Noch. Denn auch hier kann der Staat weder alle schützen, versorgen oder vor Unheil bewahren. Es geht schließlich auch um 80 Millionen Menschen, die morgen eine Zukunft benötigen.


Die Welt morgen wird anders wohl sein. Ärmer, denn es wird Opfer geben. Durch die Erkrankung, durch Insolvenzen und weniger Wohlstand. Aber auch reicher, weil sich, wie nach jeder Krise, neue Chancen und Perspektiven bieten. Und ich kann nur hoffen, dass unsere Branche mitzieht. Wir haben doch auch viele Vorbilder. Bodo Jansen ging mit dem Upstalsboomweg vor Jahren schon in eine ganz andere Richtung. Mögen andere nun folgen oder selbst sich neue Wege suchen. Mit inniger Wertschätzung für ihr Produkt, für ihre Mitarbeiter, für die eingekaufte Ware und den Gästen, die all diese Leistungen honorieren.



PS: Nichts gegen Greta oder den Ideen. Im Rahmen der Möglichkeiten muss alles getan werden. Aber es darf nicht zu einer Hilfsreligion umschlagen, die einen moralischen Wettlauf entfacht und gnadenlos alles, was ihnen nicht passt, zerstören will. Wie sehr anfällig wir sind und worauf unser Wohlstand basiert, dürfte jetzt jedem Leser klar sein. Jeder Einschnitt tut nämlich weh.

Und manch einer freut sich nun plötzlich, dass er ein Auto besitzt und überfüllte, öffentliche Verkehrsmittel meiden kann. Oder hofft, dass die Pharmaindustrie einen Impfstoff findet. Ja, so schnell kann man erwachen.


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