ALLE DEBATTEN HABEN EINEN URSPRUNG
Irgendwann muss ja mal Schluss sein. Und damit meine ich nicht die Debatte um den Mindestlohn, denn der dürfte bei uns doch gar nicht relevant sein. Hat die Hotellerie nicht schon genug Probleme mit Fachkräftemangel? Wie viele Hoteliers müssen längst weit über Tarif zahlen, wenn sie wirklich gute Fachkräfte in den Reihen haben möchten?! Natürlich nervt eine staatlich verordnete Lohngrenze. Statt die kalte Progression abzubauen, die Rentenprobleme auf den Weg zu bringen oder die Sozialkassen neu zu ordnen, schafft eine Regierung mit einer lockeren Zweidrittelmehrheit nur eines: am Leben der Steuerzahler vorbei zu hantieren.
Was soll denn eine gut ausgebildete Rezeptionistin so verdienen dürfen? Klare deutsche Aussprache, die englische Konversation sitzt, hat für jeden Gast stets ein Lächeln parat, kann die Raten in den Systemen ändern und alle Statistiken auswerten. Selbstverständlich auch perfekt in der Reklamationsbehandlung, reagiert locker auf plötzliche Schichtwechsel und engagiert sich ohne Murren über die reguläre Arbeitszeit. Und was bekommt ein Koch, der überaus flexibel heute auf jeden Posten kochen kann? Was ist all die Warenkunde, das Kalkulieren und die hohe Kunst des Garens auf den Punkt so wert? Etwa keine EUR 8,50??? Abgesehen vom ungelernten Spüler gibt es doch kaum noch Niedriglöhner.
Ein Hotelier, der ernsthaft darüber schimpft, der hat ein Haus in einem enorm strukturschwachen Gebiet oder er nimmt Zimmerpreise, die den Begriff Discount noch weit unterlaufen. Und hier haben doch fast alle Probleme den eigentlichen Ursprung. Debattierte die Hotellerie erst viele Monate über die Abhebung der Kommission durch den neuen Erzfeind Herrn Ragge von HRS, waren dann die OTA’s in der Gesamtzahl am Pranger. Und jeder kluge Kopf wusste, dass eine solche Diskussion unsinnig ist. Nur leider sind die Klugen nicht immer in der Mehrheit. Denn es gab eine reiche Anhängerschaft für die „Posaunen der Gerechtigkeit“ und deren kruden Thesen. Von Boykott der OTA’s bis zur Wiederbelebung der Vierfarbanzeige. Nichts war den selbsternannten Rittern zu einfältig, um daraus nicht wenigstens noch eigene PR zu schlagen.
Das alle Bemühungen sinnlos sind und das Internet längst das Geschäft beherrscht, wurde einmal mehr ausgeblendet. HRS ist doch nur ein kleiner Fisch im Becken der Travel Agencies und kämpft selbst ums Überleben. Und Google haben viele nicht einmal auf dem Radar. Alles wäre auch nur halb so wild, wären da nicht diese gruseligen Tiefstpreise. An diesem Punkt krankt die Branche doch am meisten. Nur wird dazu kein einziger Hotelier gezwungen. Es sei, die Kollegen machen sich untereinander die Raten selbt kaputt. Aber wer seinen Wert des Produkts nicht kennt oder aufruft, der muss schnell sparen. An Lieferanten, an Qualität, am Service und dann am Personal. Nur muss dann auch das gesamte Gerüst umgebaut werden. Eine sparsame Ausrichtung ist durchaus umsetzbar. Kosten- und personalreduzierte Varianten gibt es reichlich. Die Budgets machen es ja vor. Nur ist deren Anteil gerade 8% am Gesamtvolumen und nicht jedes Haus hat dafür dann auch die passenden Zielgruppen. Andererseits kann kein Haus mit Vollküche überleben, wenn die Zimmer eines Viersterneprodukts in der Großstadt dann mit EUR 49,- aufgerufen werden.
Wenn ich heute eine Tagung einbuche, frage ich nach dem bestmöglichen Preis. Drei Tage vor dem Seminar ist der Preis im Internet dann aber meist noch viel tiefer. Pure Resteverwertung. Nur fühle ich mich da über den Tisch gezogen? Aber sicher! Was nutzt mir die lange Vorreservierung zum angeblichen Bestpreis? Nichts! Und leider ist das kein Einzelfall. Wo es mal klassische Abstufungen in Segmenten gab, wird heute vieles verramscht. Selbst treueste Corporates finden oft noch günstigere Raten im Netz.
Und bevor ein Hotel einen Trainer holt oder selbst intensive Schulungen ansetzt, werden lieber die Preise gesenkt und/oder unqualifiziertes Personal geholt. Dabei fängt bei einem Kellner alles schon mit der richtigen Fragestellung am Gast an. Falsch gefragt, Verkaufschance versaut. Dann die Produktkenntnis, die Arten des aktiven Verkaufs… Nur zehn Euro pro Mitarbeiter und Tag mehr. Das wäre mal ein Anfang. Und vor allem locker machbar. Der Gast profitiert vom ersten Tage an, das Trainersalär nach einem Monat egalisiert, aber das Haus langfristig auf einem besseren Wege.
Dazu ein Employer Branding, flexible Personaleinsatzplanung, E-Recruiting, Weiterbildung, Change & Talent Management, E-Learning, Gesundheitsangebote, Outsourcing, interne Kommunikation, Empathie, Benefit, Förderung usw… Das sind keine Fremdwörter, sondern wird in anderen Branchen längst gelebt. Und da bleiben dann auch die Mitarbeiter. Aber ich höre immer: Nur nicht helfen, ist schon schwer genug! Doch es gibt Hoffnung. Eine ganze Reihe von privaten Häusern, aber vor allem Ketten haben die Probleme erkannt und behoben. Mehr Freiraum für die Mitarbeiter, mehr Verantwortung, mehr Kompetenz, vor allem mehr Beachtung. Daraus folgt höhere Zufriedenheit, eine ausgeprägtere Motivation (aber bitte nicht so einen Chakka-Blödsinn) und vor allem mehr Umsatz. Der Gast schaut immer mehr durch das Produkt auf die Menschen, die es erstellen. Bewertungsportale, Kochsendungen, Ernährungsratgeber oder selbst der olle Wallraff spucken in den Köpfen der Verbraucher. Es ist schlicht nicht wahr, dass alle nur Discount wollen. Und das Haus mit den billigsten Preisen ist nicht das vollste Haus am Platz. Schon gar nicht das Erfolgreichste.
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