Gastronomie der Zukunft
Unsere Branche leidet derzeit ungemein. Wir wollen uns aber nicht weiter aufregen, wie viel seitens der Politik versprochen, gelogen, gebrochen oder verschoben wurde, denn das wäre hier ein unendlich langer Text. Die meisten Hilfen kamen nicht/kaum, denn wir sind wahrlich nicht systemrelevant. Das alles sahen wir in den Blogs davor lange voraus, da es rein rechnerisch erahnt wurde und leider ist alles genauso gekommen. Ein Staat kann eben eine Volkswirtschaft nicht bezahlen.
Heute mal lieber ein Blick in die Zukunft. Corona ist vor dem Ende. Es ist absehbar, dass die Impfungen irgendwann auch hier mal passieren. Mutationen keinen Schrecken mehr haben. Medien die Panik nicht mehr schüren können und die Politik eh am Ende ist, da niemand mehr diesen wirtschaftlichen Schaden finanzieren kann. Und der Schaden wird gewaltig sein, durch den sich unser Land verändern wird und auch Europa gewaltige Umbrüche erleidet.
Solange die Supermärkte noch voll sind, bemerken viele nicht diese Auswirkungen. Aber sie werden kommen und drastische Folgen besitzen. Man mag sich derzeit sogar freuen, wenn eine Kiste Bier nur 9,00 Euro statt 14,00 Euro kostet und Rinderfilet gerade für 18,00 Euro im Angebot ist. Die Ursache dafür ist aber nicht die Nettigkeit des Handels, der uns den Lockdown versüßen möchte, sondern der ungeheure Berg an Produkten, die derzeit nicht abgenommen werden. Überkapazitäten überall, die nicht abgerufen werden können, was für die Erzeuger verheerende Auswirkungen beinhaltet.
Wenn morgen alles öffnen dürfte, wäre damit aber längst nicht wieder alles wie früher. Wer glaubt, es ändert sich nichts, irrt gewaltig. Die Gastronomie lebte auch vor Corona von drei wichtigen Gruppen: Wirtschaft (Firmenessen bis Weihnachtsfeiern), den Beamten/Rentnern (regelmäßig Geld, wobei nicht mal da alle gut versorgt sind) und der arbeitenden Bevölkerung. Letztere Gruppe umfasst derzeit nur noch 20,8 Millionen mit Vollzeitjobs. Und diese Gruppe wird kleiner werden. Mit rund einer Million Firmenpleiten wird gerechnet, wenn Corona vorbei und die Insolvenzen offenbar werden. Das bedeutet auch, dass Millionen keinen Job mehr haben. Wer derzeit noch in einer Firma arbeitet, die längst in die Pleite gerutscht sind oder in Kurzarbeit statistisch geparkt ist, wird eben vielfach dann keinen Job mehr vorweisen können. Firmen sitzen, wenn sie produzieren, vielfach auf Überkapazitäten, wenn geschlossen, auf immensen Ausfällen, und werden daher auch ihre gastronomischen Ambitionen vorläufig reduzieren.
Mag die erste Zeit der Öffnung noch gut verlaufen, da viele Menschen einfach wieder eine Sehnsucht nach Gastronomie, Kino, Museen und Theater hegen, wird es bald abflachen, wenn die Auswirkungen durchschlagen. Denn schnell werden viele merken, dass auch alles teurer wird. Allein die CO2-Steuer, die von Produktion bis Logistik alles künstlich verteuert, ist vielen bis heute in der vollen Auswirkung, durch die massenhafte Stilllegung der Wirtschaft, nicht bewusst.
Was also tun? Einige hoffen ja auf Solidarität oder Kooperationen untereinander. Klingt gut, klappt aber nicht. In der Hotellerie dümpeln die Preise seit 30 Jahren auf einem niedrigen Niveau, weil einer immer unterbietet. Man gönnt sich untereinander gar nicht. Da hilft es auch nicht, dass eine Konkurrenz nun Mitbewerber heißt. Klingt besser, ändert aber nichts.
BMW würde Mercedes auch nicht einen Happen an Know how gönnen, wenn es in Stuttgart gerade nicht läuft. Wenn, dann in Kooperation, was aber bedeutet, irgendwann wird man übernommen. Dann gehört Mercedes irgendwann auch einem anderen oder verschwindet wie Volvo, Rover, Saab, Bentley...
Um es radikal zu sagen: Geld muss endlich verdient werden! Und dazu bedarf es endlich Ideen und Maßnahmen, die das erfüllen. Viele Gastgeber sind tolle Köche und perfekte Gastgeber, aber haben eklatante Lücken in der Betriebswirtschaft. Die durchschnittliche Marge vieler Betriebe war vor Corona schon so klein, dass es oft das Herzblut, was am Laden klebte, sein musste, was einen Wirt morgens zum Aufstehen bewegte.
Was also tun? Nun, zunächst benötigt es einfach Mut. Wer überleben will, muss radikaler werden. Reservierungen endlich mit Stornogebühr verbinden. Wird auch ewig diskutiert, kaum umgesetzt. Die Sitzdauer reduzieren. Wer aufgegessen und seinen Espresso getrunken hat, muss gehen. Innerhalb eines festen Zeitfensters und nicht beim Glas Wasser noch eine Stunde verweilen. Getränke nur noch in Verbindung mit Speisen ausschenken. Angebot und Kalkulation überdenken. Und natürlich überlegen, was zum Geldbeutel der Gäste passt. Wer das Glück hat, dass Gäste sich vor der Tür stauen, sollte statt "tut mir leid, wir sind voll", Initiative ergreifen. Reinholen an der Bar/Theke platzieren, mit einem Getränk versorgen und eben fix andere Gäste abkassieren. Gäste abweisen kann sich niemand mehr leisten. Gäste hintereinander bedienen und den gleichen Tisch zwei-, drei- oder viermal besetzen, muss hingegen umgesetzt werden.
Wem es da an Ideen und Vorstellung mangelt, der sollte sich mal in der Gastronomie von Ländern umschauen, wo es immer schon hochpreisig war. Als kleines Beispiel wäre da Dänemark und das Smörrebröd. Nur ein Brot, aber sehr sättigend und dennoch derart künstlerisch auf den Teller gebracht, dass allein die Optik ein Genuss ist. Da bleibt aber für den Wirt etwas hängen. Alkohol gibt es da auch nur mit Speisen. Die Bevölkerung hat das längst akzeptiert. Und was bei unseren Nachbarn klappt, geht hier auch. Mit Mut.
Also endlich Schluss mit der handgemachten Kohlroulade zum Mittagstisch für 6,50 Euro.
Wer überleben will, muss endlich rechnen. Welche Kosten habe ich? Was muss ich pro Sitzplatz einnehmen, damit etwas bleibt? Wie viele Gäste benötige ich mit welchem Mindestumsatz am Tag? Kann ich durch passgenaue Öffnungszeiten auch Personalkosten reduzieren? Sind sie damit und allen anderen Punkten durch, dann erst haben Sie die kulinarische Aufgabe. Erst wenn Sie wissen, was erwirtschaftet werden muss, können Sie sich dazu die Gerichte entwerfen, die alles tragen. Natürlich, was auch immer ein heikler Punkt ist, endlich bei einer stimmigen Kalkulation.